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Zwischen Bytes und Bellen: Wie Künstliche Intelligenz unser Verhältnis zu Tieren verändert

  • Writer: Leonie N. Bossert
    Leonie N. Bossert
  • May 19
  • 3 min read

Künstliche Intelligenz (KI) verändert unsere gesellschaftlichen und unsere alltäglichen Praktiken – das ist nichts Neues. Doch was passiert, wenn wir den Nutzen und die Risiken dieser Technologie nicht nur in ihrer Anwendung auf Menschen, sondern auch auf nichtmenschliche Tiere bewerten? Denn auch für diese kann die Technologie disruptive Wirkungen entfalten, die mit zahlreichen ethischen Herausforderungen, aber auch Chancen, einhergehen.


A chimp in front of a PC (ChatGPT)
A chimp in front of a PC (ChatGPT)

Dem widmet sich die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift TIERethik, wobei die einzelnen Beiträge sehr unterschiedliche Themen im Kontext der KI-Anwendung auf nichtmenschliche Tiere adressieren. Sich all diesen verschiedenen Themen zu widmen, stellt aus tierethischer Perspektive ein äußerst wichtiges Unterfangen dar, da KI-Technologien nichtmenschliche Tiere auf mannigfaltige Art und Weise beeinträchtigen – im positiven, wie im negativen –, die KI-Ethik-Debatte jedoch überwiegend anthropozentrisch geführt wird.


Das Themenheft der TIERethik stellt dabei die erste gesammelte Auseinandersetzung zu „KI und Tiere“ auf deutscher Sprache statt, da die Debatte um KI-Auswirkungen auf andere Tiere zwar an Fahrt aufnimmt, jedoch bislang lediglich auf englischer Sprache.

Die folgenden Ausführungen fassen den Inhalt des Themenhefts zusammen, um den Leser:innen einen kurzen Überblick über die dort verhandelten Themen zu bieten.


Von Tierversuchen zu tierfreier Forschung


Thomas Hartung macht den Anfang und zeigt, wie KI dazu beitragen kann, Tierversuche zu überwinden. Besonders in der Toxikologie und Arzneimittelforschung eröffnen sich neue Wege. Welche ethischen Aspekte hierbei zu beachten sind und wo Potentiale und Risiken liegen, fasst Hartung eindrucksvoll zusammen.


Sprache schafft Realitäten


Sprache ist Macht – und das gilt auch im Umgang mit nichtmenschlichen Tieren. Gabriela Kompatscher und Reinhard Heuberger analysieren, wie KI-Sprachmodelle wie ChatGPT Sprache nutzen – und dabei oft noch anthropozentrische Denkmuster wiederholen. Doch es besteht Hoffnung: Mit dem richtigen Training können diese Modelle auch zu Botschafter:innen einer tiersensiblen Kommunikation werden.


Nichtmenschliches Tier oder Maschine – wer zählt mehr?


Inge Kirsner adressiert in ihrem Beitrag die – immer noch häufig reproduzierte – vermeintlich klare Trennung zwischen Mensch und nichtmenschlichem Tier. Auch andere Tiere zeigen Persönlichkeit – warum also nicht auch Maschinen? Inge Kirsner verweist auf die Vernetzungen zwischen nichtmenschlichen Tieren und Maschinen und analysiert Tier-Szenen in Spielfilmen.

 

Handlungsfähigkeit und Persönlichkeit


Felipe Belmar Todorovic stellt in seinem Beitrag die Frage, die Tier- und Roboterethik vereint: Verdienen Roboter moralische Berücksichtigung – genau wie andere Tiere? Dabei untersucht er das Ausmaß, in dem Robotern Handlungsfähigkeit und Intentionalität zugesprochen werden können und welche Schlussfolgerungen daraus abgeleitet werden sollten. Diese Diskussion setzt er ins Verhältnis mit der Debatte um Persönlichkeit und  Handlungsfähigkeit bei nichtmenschlichen Tieren.


Neue Diskriminierungsformen im Zeitalter der KI


Doris Schneeberger weist in ihrem Beitrag auf eine weitere, bisher wenig diskutierte Diskriminierungsform hin. Neben Speziesismus (Diskriminierung aufgrund der Art) macht sie auf Substratismus aufmerksam – also die Diskriminierung auf Basis des „Materials“, aus dem ein Wesen besteht. Kohlenstoff oder Silizium – darf das über moralische Rechte entscheiden?


Ethische Grauzonen zwischen Tier, Mensch und Maschine


Peter G. Kirchschläger beleuchtet die moralische Verantwortung beim Einsatz von KI gegenüber nichtmenschlichen Tieren. Seine zentrale Frage hierbei lautet, ob KI-Systeme selbst moralische Relevanz besitzen, oder ob diese uns Menschen und anderen Tieren vorbehalten bleiben sollte?


Wenn Roboter schnurren


Zoomorphe Roboter sind ein spannendes Feld für tierethische Fragestellungen. Sie spielen auch in der tiergestützten Therapie eine Rolle, welche sich in Zukunft noch verstärken könnte – etwa um biologische Tiere zu entlasten. Christina Potschka diskutiert, ob künstliche Tiere wirklich eine ethisch vertretbare Alternative sind – oder nur eine technische Illusion von Nähe und Fürsorge.


KI in der Veterinärmedizin – Risiken und Nebenwirkungen


Leonie N. Bossert (ich) schließlich wirft einen Blick auf den Einsatz von KI in der Veterinärmedizin. Zwischen diagnostischer Hilfe und ethischen Bedenken steht eine große Frage im Raum: Welche Aufgaben dürfen wir der KI übertragen – und welche sollten aus welchen Gründen dem Menschen vorbehalten bleiben?


A futuristic scene (ChatGPT)
A futuristic scene (ChatGPT)

Diese Ausgabe von TIERethik ist ein Weckruf: Wer über KI spricht, sollte auch über ihre Anwendung auf nichtmenschliche Tiere sprechen.


So wichtig, wie die in diesem Themenheft besprochenen Fragen und Anwendungsgebiete sind, so wenig sind sie umfassend.

Zahlreiche weitere Forschungsfragen bestehen, beispielsweise wie die KI-gestützte, automatisierte Schmerzerkennung bei landwirtschaftlichen Tieren mit einem anspruchsvollen normativen Verständnis von Schmerz einhergehen kann; ob KI jemals in der Lage sein wird, Tiersprache zu dekodieren und welche ethischen Fragestellungen damit einhergehen; ob nichtmenschliche Tiere auch ein Recht auf Privatheit haben, welches in der KI-Anwendung berücksichtigt werden muss; oder welche KI-Anwendungen priorisiert werden sollten, um Interspezies-Gerechtigkeit möglichst großmaßstäblich erreichen zu können.


Insofern ist dieser kurze Überblicksartikel auch ein Aufruf dazu, sich solchen und anderen Forschungs- und Umsetzungsfragen zu widmen. Wie andere gesellschaftliche Entwicklungen muss die KI-Entwicklung und Anwendung ethisch begleitet werden – auch tierethisch.   

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